Start » Kulturzentrum » Kulturveranstaltungen 1945-1970 » Mode

Agbi-Bekleidungsmessen und Modenschauen im Hans-Sachs-Haus

Die Bekleidungsindustrie gehörte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zu den bedeutenden Industriezweigen im Ruhrgebiet. Bis zu 24.000 Menschen waren um 1970 in dieser Branche beschäftigt. Auch in Gelsenkirchen gehörte die Textil verarbeitende Industrie neben Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie, Chemieindustrie sowie Glasindustrie zu den fünf wichtigsten Wirtschaftszweigen. Zeitweilig fanden hier bis zu 7.400 Beschäftige - in der Hauptsache Frauen und Mädchen -  einen Arbeitsplatz.

Die Bedeutung des Bekleidungsstandortes Gelsenkirchen zeigte sich schon in den Anfangsjahren der Bundesrepublik. Zahlreiche Bekleidungsfirmen für Damen- und Herrenoberbekleidung, deren Besitzer zumeist Flüchtlinge aus Breslau, Berlin oder Dresden waren, wurden im teilweise zerstörten Gelsenkirchen gegründet. Arbeitsräume wurden in leer stehenden Sälen von Gaststätten und Restaurants, zum Teil auch in notdürftig wieder hergerichteten Schulen geschaffen. Auch in einigen Warenhäuser, wie z.B. dem Weka-Kaufhaus, in denen aufgrund des geringen Warenangebots in den ersten Nachkriegsjahren nur eine Etage als Verkaufsfläche benötigt wurde, wurden die freistehenden Flächen der Bekleidungsindustrie zur Verfügung gestellt.

Um die Neugründungen unter den schwierigen Nachkriegsbedingungen besser zu bewältigen, schlossen sich Flüchtlingsbetriebe und die neu gegründeten Firmen bereits im Frühjahr 1947 zu der „Arbeitsgemeinschaft Gelsenkirchener Bekleidungsindustrie” (Agbi) zusammen. Neben Werbezwecken war das Ziel, eine gemeinsame Kennmarke für die Gelsenkirchener Bekleidungsindustrie zu entwerfen. Es sollte „praktische und preiswerte Gebrauchskleidung” für jedermann produziert werden.

Die "Agbi" organisierte dann im Juli 1949 die Erste Gelsenkirchener Bekleidungsfachmesse. Diese war allerdings nicht für die breite Öffentlichkeit, sondern nur für Einzelhandelsfirmen der Textil- und Bekleidungsbranche bestimmt.

Das gerade wieder aufgebaute Hans-Sachs-Haus mit seinem repräsentativen Saal bot den idealen Rahmen für diese Veranstaltung. Hier trafen sich rund 20 Gelsenkirchener und 23 westdeutsche Firmen aus den unterschiedlichen Bekleidungsbranchen und präsentierten zum ersten Mal ihre Herbst- und Winterkollektionen. Diese Ausstellungen sollten, wie in der Modebranche üblich, zweimal jährlich stattfinden. So waren im Januar 1950 zur Vorstellung der Frühjahrskollektion bereits 50 Firmen beteiligt.

Regelmäßige Modenschauen und Präsentationen blieben in den folgenden Jahrzehnten fester Bestandteil im Veranstaltungskalender des Hans-Sachs-Haus-Saals. Jährlich fanden bis zu 15 Modenschauen statt. Veranstalter waren neben dem Bekleidungshandwerk der Kreishandwerkerschaft Gelsenkirchen oder einzelnen Bekleidungsfirmen meistens die örtlichen Kaufhäuser und Bekleidungsgeschäfte. Auch der berühmte Modedesigner Heinz Oestergaard präsentierte seine Kollektion im Hans-Sachs-Haus.
Wie Modenschauen abliefen, berichten die  "Gelsenkirchener Blätter 1954" am Beispiel der Frühjahrpräsentation der Firma Kogge im Jahre 1954 DOKUMENT  und am Beispiel einer Modenschau des Kaufhof aus dem Jahre 1969, die Musik und Mode zu einem Mode-Musical verband.   DOKUMENT

Da Bekleidungsindustrie und Modenschauen auch Modells brauchten, die die Mode vorführen konnten, richtete das Mannequin-Studio Essen im April 1954 eine Mannequin-Schule im Hans-Sachs-Haus ein. Die ersten zehn Absolventinnen erhielten nach dreimonatigem Kurs Ende Juni ihr Diplom.

Literaturhinweise:

  • Birgit Beese, Brigitte Schneider: "Arbeit an der Mode – Zur Geschichte der Bekleidungsindustrie im Ruhrgebiet", Essen 2001.
  • Brigitte Schneider, Wiltrud Apfeld : Arbeit an der Mode, Ausstellung in der "flora", Gelsenkirchen 2. März bis 4. April 2004.
    Siehe auch:
    http://www.arbeit-an-der-mode.de [externer link]
  • Karl-Heinz Schulze: Die Bekleidungsindustrie. In: Gelsenkirchen - Abbild einer großen Stadt. Hg. v. W. Wehrenpfennig, W. Niemöller u. F. Bruns, Essen 1955, S. 103-105.

 

Gelsenkirchener Wochenschau, Veranstaltungs-Kalender, Jahrgang 2, Nr. 26, 1.-7. Juli 1949. Titelbild: Hans-Sachs-Haus, Stätte der ersten Gelsenkirchener Bekleidungsmesse
Gelsenkirchener Wochenschau, Veranstaltungs-Kalender, Jahrgang 2, Nr. 26, 1.-7. Juli 1949.
Titelbild: Hans-Sachs-Haus, Stätte der ersten Gelsenkirchener Bekleidungsmesse
Modenschau im Hans-Sachs-Haus. Quelle: ISG/Statdarchiv.
Modenschau im Hans-Sachs-Haus
 
Gelsenkirchener Wochenschau, Veranstaltungs-Kalender, Jahrgang 3, Nr. 1, 1.-15. Januar 1950. Titelbild: Hans-Sachs-Haus, Stätte der großen Schau der Ausstellungsgemeinschaft Bekleidungs-Industrieller
Gelsenkirchener Wochenschau, Veranstaltungs-Kalender, Jahrgang 3, Nr. 1, 1.-15. Januar 1950.
Titelbild: Hans-Sachs-Haus, Stätte der großen Schau der Ausstellungsgemeinschaft Bekleidungs-Industrieller
 
Schuhpräsentation im Hans-Sachs-Haus 1957. Quelle: ISG/Statdarchiv.
Schuhpräsentation im Hans-Sachs-Haus 1957
 

Übrigens: hat nicht der Name "Hans-Sachs-Haus" auch irgendwie etwas mit der Bekleidungsindustrie zu tun? War nicht Hans Sachs auch ein "Bekleidungs-Fachmann"? Wenn er auch nicht gerade Hosen und Mäntel angefertigt hat, so war er immerhin aber ein rechtschaffener Schuhmacher, der — würde er heute leben — angesichts seines berühmten Dichternamens vermutlich Inhaber einer Schuhfabrik, mindestens aber einer Schuhwarengroßhandlung wäre. (Oder auch nicht — sagt vielleicht der Skeptiker.)[...]

Aus einem Bericht der Gelsenkirchener Wochenschau, (3/1950) anlässlich der 2. Agbi-Schau in Gelsenkirchen vom 05.-10. Januar 1950.

Und sonst noch..

Eine Modenschau - des niederländischen Fernsehens - war auch der Inhalt der ersten Fernsehsendung, die in Gelsenkirchen im März 1952 auf dem Dach des Hans-Sachs-Hauses empfangen wurde.

Ausstellungsstand auf der 1. Agbi-Schau. Quelle: Gelsenkirchener Wochenschau
Ausstellungsstand auf der 1. Agbi-Schau. Quelle: Gelsenkirchener Wochenschau
 Ausstellungsstände auf der 1. Agbi-Schau
 
Modenschau im Hans-Sachs-Haus